3. Forschungsauftrag im Rahmen des EDI - Projektes

Als krönender Abschluß der Arbeit des Wegweiser e.V. darf unser großer Forschungsauftrag gelten, für welchen wir sogar einen eigenen Haushalt einrichten und Mitarbeiter einstellen konnten. Der Auftrag wurde uns erteilt vom Psychotherapeutischen Zentrum in Stuttgart- Sonnenberg, Forschungsstelle für Psychotherapie, einer Einrichtung der medizinischen Hochschulen des Landes Baden- Württemberg. Neben vielen anderen Projekten ist die "Multizentrische Eßstörungsstudie" eines der umfangreichsten Projekte dieser Forschungstelle. Multizentrisch bedeutet, daß diese Studie bundesweit durchgeführt und von vielen psychologischen Einrichtungen, besonders Kliniken, mitgetragen wird. Die Ausweitung des Projektes auf internationaler Ebene war 1997 in vollem Gang. Als unsere Teilstudie begann, beteiligten sich bereits 14 europäische Länder daran. Worum geht es bei einem derart aufwendigen Projekt? Ein großes internationales Team von Medizinern und Psychologen befaßt sich seit geraumer Zeit mit der Erforschung von Eßstörungen, besonders der Magersucht und der Eß-Brechsucht.

"Diese Störungen stellen ein so immenses Problem dar, daß ein großer Aufwand sowohl gesundheitspolitisch als auch volkswirtschaftlich notwendig ist. Geeignete psychotherapeutische Hilfestellungen, Therapiedauer und diagnostische Möglichkeiten sowie die kulturelle Gebundenheit der Krankheiten, die infrastrukturelle Versorgung von PatientInnen etc. werden in diesem Zusammenhang erforscht."  *
Über 1200 Patientinnen aus 44 deutschen Kliniken hatten sich bereit erklärt, über einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren bei dieser Untersuchung mitzuwirken. Doch eine wissenschaftliche Befragung darf nicht im luftleeren Raum, d.h. ohne Vergleichsstudien, stattfinden. Neben den Daten von Patientinnen wurden ebenso Daten von nicht betroffenen Menschen benötigt, um die Ergebnisse richtig einschätzen zu können. Auf diesem Hintergrund lieferte unsere Teilstudie - die Befragung junger Frauen, welche nicht an Eßstörungen leiden bzw. zum Zeitpunkt der Befragung nicht wegen eines solchen Problems in Behandlung sind - ihren Beitrag zum Ganzen. Psychosomatische und psychische Störungen kommen bei beiden Geschlechtern unterschiedlich häufig vor. Es ist zwar eine Binsenwahrheit, daß Männer und Frauen verschieden sind; jedoch sind auch die psychischen Reaktionen beider Geschlechter auf Streß, Belastung usw. sehr unterschiedlich. Besonders Eßstörungen wie Magersucht und Eß-Brechsucht treten fast ausschließlich bei Frauen auf (95 %); die Tendenz bei Männern ist leicht zunehmend.
"Einige Ergebnisse legen nahe, daß junge Frauen in unserer Kultur besonderen Stressoren ausgesetzt sind, auf die sie mit einem auffälligen Eßverhalten reagieren. Andere Ergebnisse deuten auf eine größere Verletzlichkeit des weiblichen Eßverhaltens durch Stressoren hin. Wieder andere behaupten einen Zusammenhang mit familiärer Problematik. Wir erhoffen, durch unsere Studie auch diese Fragen besser als bisher beantworten zu können." *
Bei der Besprechung des Krankheitsbildes dürfen auch die leidvollen Auswirkungen auf die betroffenen Personen sowie deren Familien nicht außer Acht gelassen werden: "Die körperlichen und psychischen Folgen der Erkrankung sind enorm und bedürfen dringend einer genauen Abklärung." * Berufsunfähigkeit, vermehrte Anfälligkeit für andere Krankheiten und sogar der Tod können die Folge sein. Angaben über die Sterblichkeit durch Magersucht schwanken zwischen 5 und 20 % der Erkrankten. Alle Ergebnisse der EDI - Studie liegen inzwischen vor und wurden ausgewertet. Die beteiligten Expertenteams und Institutionen hoffen, "dadurch den jetzt schon eßgestörten Frauen die geeignete Therapie zu ermöglichen und genügend Informationen zu erhalten, um präventiv geeignete Schritte einleiten zu können." *  Nach zweieinhalb Jahren Forschungsarbeit, welche unser Team vom Wegweiser e.V. oft bis an die Grenze der Kapazität auslastete, konnten wir die Studie erfolgreich abschließen. Wir danken der Forschungsstelle für Psychotherapie, den Initiatoren sowie den Schulleitungen der Carl- Engler-Schule und der Hebammenschule vom Klinikum Karlsruhe für das in uns gesetzte Vertrauen.


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* sämtliche Zitate aus dem Infoblatt der Forschungsstelle für Psychotherapie für die Teilnehmerinnen an der Studie.